Die Reeperbahn – die sündigste Meile der Welt.
Die Reeperbahn ist eine der bekanntesten Straßen der Welt. Die zentrale Straße im Rotlicht- und Vergnügungsviertel liegt im Hamburger Stadtteil Sankt Pauli. Knapp einen Kilometer lang ist die legendäre Straße, die sich vom Nobistor in Richtung Osten zum Millerntor führt. Die Anzahl an Diskotheken, Bars und Nachtclubs hat ihr den Namen die “sündigste Meile der Welt” eingebracht. Im Laufe der Zeit hat sich die Gegend jedoch verändert und ist immer noch im Wandel.
Die achtziger Jahre und die Folgen.
In den achtziger Jahren boomte das Geschäft im bekannten Rotlichtbezirk. Ungefähr 1500 hamburger Prostituierte waren im horizontalen Gewerbe tätig. Ende der siebziger Jahre verlor der sogenannte Pate von St. Pauli, Wilfried Schulz, an Einfluss. Zu seiner Zeit entschied noch ein informelles Gericht bei Streitigkeiten und Problemen. Die höchste Strafe war das St. Pauli-Verbot. Mit diesem Urteil verlor man auch die Anteile an Bordellen. Die beiden Zuhälterorganisationen, die GMBH und die Nutella-Bande teilten nun die Reeperbahn unter sich auf. Kurze Zeit später hatte der Wiener Peter die Herrschaft über die Reeperbahn. Anfang der achtziger Jahre gab es den ersten Auftragsmord in dem legendären Lokal “Ritze”. Es kam zu einem blutigen Zuhälterkrieg auf der Reeperbahn.
HIV, Drogen – alte Regeln gelten nicht mehr.
Ein weiterer Wandel entstand durch das Auftreten des HI-Virus. HIV und die damit verbundene Angst vor Ansteckung war schlecht für das Geschäft im Rotlichtmilieu. Gleichzeitig kamen Drogen ins Spiel. Zuerst Kokain und dann Heroin führten zu einem harten Verteilungskampf. Mit den Drogen ließ sich deutlich mehr Geld verdienen als mit der Prostitution. Ab dieser Zeit verblasste das legendäre Image der Reeperbahn. Die Gewalttaten stiegen drastisch an, es gab immer mehr Verletzte und schließlich auch Tote. Was die Zuhälter früher mit dem Faustrecht und ohne Waffen geklärt hatten, wurde von nun an immer öfter mit Schusswaffen erledigt. Türken, Albaner, Ukrainer, Russen und Deutsche mischten nun auf der Reeperbahn mit. Die Machtverhältnisse waren nicht mehr eindeutig geklärt.
Mitte der neunziger Jahre – die goldenen Zeiten sind vorbei.
Mitte der neunziger Jahre waren die goldenen Zeiten der Reeperbahn endgültig vorbei. Ende der neunziger Jahre schlossen einige Kultlokale. Das Café Keese musste 1998 die Pforten schließen. Für den bekannten Safari-Club kam das Aus im Jahre 2014. Das Erotik-Theater wurde 1964 eröffnet. Aus dem 1967 eröffneten Großbordell, dem Eros-Center wurde das Pink Palace. Die weit über Grenzen Hamburgs hinaus bekannte ESSO-Tankstelle wurde 2013 wegen Einsturzgefahr, zusammen mit den angrenzenden ESSO-Häusern geräumt und anschließend abgerissen. Das Kultobjekt in St. Pauli war Kneipe, Supermarkt, Sehenswürdigkeit und Touristenattraktion gleichzeitig.
Verbote und Aufwertung.
2007 wurde ein Verbot für die Reeperbahn erlassen. Waffen, Messer und ähnlich gefährliche Gegenstände durften nicht mehr mitgeführt werden. Ansässige Geschäfte wurde aufgefordert keine Glasflaschen mehr zu verkaufen. 2009 kam das Glasflaschenverbotsgesetz. In Wochenendnächten und vor Feiertagen war es verboten, Glasflaschen mitzuführen. Zuwiderhandlungen können mit einer Geldbuße bis 5000 Euro geahndet werden. 2011 wurde der Antrag gestellt, die Reeperbahn zu einem BID zu machen.Ein Business Improved District, in dem mehr Sauberkeit und ein besseres Gesamtbild herrschen sollte. Am östlichen Eingang der Reeperbahn wurden 2012 die Tanzenden Türme errichtet. Hotel, Restaurant, Büroflächen und der legendäre Mojo-Club befinden sich in den Türmen.
Die Reeperbahn wird der Ballermann von St. Pauli.
Nach wie vor gibt es auf der Reeperbahn Gewalt, Prostitution und Drogen. Die ursprünglichen Lokale befinden sich in einem Kampf gegen die Verdrängung, die der Aufwertungsprozess mit sich bringt. Wohnungen werden teuer saniert und zu Eigentumswohnungen. Hauptsächlich Diskotheken, Bars und Kioske teilen sich die Reeperbahn heute. Zwanzig Millionen Besucher kommen jährlich auf die Reeperbahn. Aber auch hier hat sich die Mentalität “Geiz ist geil” durchgesetzt. Von den ursprünglich 1500 Prostituierten arbeiten heute lediglich noch 300 auf der Vergnügungsmeile. Table Dance und Striptease sind ebenfalls rückläufig, Relikte aus vergangenen Tagen, was auf die große Anzahl der Medien zurückzuführen ist. Die Reeperbahn, die sündigste Meile der Welt bewegt sich in Richtung Ballermann mit viel Alkohol, Partystimmung und Jugendlichen.
Von der ärmsten Straße zur Luxusmeile.
Aus der einst ärmsten Straße Europas wurde eine Straße, in der die Mieten extrem gestiegen sind, kleine und alteingesessene Geschäfte wurden vertrieben oder müssen schließen. Die Kundschaft für diese Geschäfte ist nicht mehr vorhanden. Nach 1720 Jahren steht das bekannte Schuhhaus Messmer vor dem Aus. In vergangenen Zeiten war das Schuhhaus die Anlaufstätte für die Prostituierten und ihre Zuhälter, heute ist die Miete kaum noch zahlbar. Live-Sex-Shows im Safari-Club werden durch Schlagermusik und Party ersetzt. Hochhäuser, Filialen bekannter Unternehmen, Nobelrestaurants und Luxushotels, das ist die neue Reeperbahn. Das ursprüngliche Flair der Reeperbahn verschwindet zusehends und eines Tages werden auch die verbliebenen legendären Lokale Geschichte sein. Die Gewinner sind die Investoren, auf der Strecke bleiben die kleinen Geschäfte und Menschen, die sich die Wohnungen nicht mehr leisten können.